Paragraf 53 oder neun Jahre später

Seit es Schrift gibt, werden mit ihr Gesetzestexte und Verträge festgehalten, um Klarheit zu schaffen und die Sachverhalte für alle ersichtlich und verständlich zu machen. Deshalb sind juristische Texte auch immer so formuliert, dass ihr Sinn leicht erfassbar ist. Betrachten wir dazu folgenden Absatz aus dem Kollektivvertrag der Universitäten:

„Führen zwei oder mehr Stufen der niedrigeren Verwendungsgruppe in jene betragsmäßig nächsthöhere Entgeltstufe der höheren Verwendungsgruppe, die durch die Umreihung erreicht wird, so ist die Berechnung des Zeitraumes bis zur Vollendung des Vorrückungszeitraumes in der höheren Verwendungsgruppe nach obiger Formel mit der Abweichung zu ermitteln, dass diese zwei oder mehr Stufen der niedrigeren Verwendungsgruppe in Summe als einheitlicher Vorrückungszeitraum gelten.“

Alles klar? Ist doch ganz einfach, oder? Wenn nicht, dann können wir das gern ändern und Klarheit in die Sache bringen. Tatsächlich ist der obige Absatz eine nachträglich eingefügte Änderung, die einen „Fehler“ bei der Umreihung korrigiert. Im ursprünglichen Text, wie er am 1. Oktober 2009 in Kraft trat, stand nur folgender Satz:

„In der neuen Verwendungsgruppe ist die Vorrückung in die nächst höhere Entgeltstufe bei Vollendung des diesbezüglichen Vorrückungszeitraumes mit der Maßgabe vorzunehmen, dass die Zeit bis zur Vollendung des Vorrückungszeitraumes dem Verhältnis jener Zeit zu entsprechen hat, die der/ die ArbeitnehmerIn in der niedrigeren Verwendungsgruppe bis zur Vorrückung noch zu absolvieren gehabt hätte.“

Was damit gemeint ist, wird ersichtlich, wenn man ein paar praktische Beispiel hernimmt: Eine Mitarbeiterin, die seit zwölf Jahren an der Universität tätig ist, soll von IIIa nach IIIb umgereiht werden. Sie befindet sich seit vier Jahren in Regelstufe 3 und landet glücklicherweise auch in IIIb in Regelstufe 3. Beide Stufen haben eine Dauer von sieben Jahren, das heißt, der Mitarbeiterin wird der gleiche Prozentsatz der Stufe IIIb/R 3 angerechnet, sie verliert keine Vorrückungszeiten:

Vorrückung 3a auf 3b

Als nächstes sehen wir uns einen Mitarbeiter an, der in der gleichen Verwendungsgruppe seit 19 Jahren tätig ist. Er befindet sich seit vier Jahren in Regelstufe 4 und wechselt auch in Regelstufe 3, allerdings wird ihm dort nur die Hälfte seiner achtjährigen IIIb/R 4 angerechnet, er muss also ein halbes Jahr länger auf die nächste Vorrückung warten als die Mitarbeiterin aus dem ersten Beispiel, obwohl er sieben Jahre länger an der Uni ist.

Vorrückung 3a auf 3b

Und ein letztes Beispiel: Ein Mitarbeiter ist seit vier Jahren in IIIb/R 1 und wechselt von dort in IVa/R 1. Die vier Fünftel von den fünf Jahren in der alten Verwendungsgruppe werden verhältnismäßig auf die acht Jahre in der neuen Verwendungsgruppe übertragen und ergeben somit einen zeitlichen Gewinn von 2,4 Jahren.

Vorrückung 3b auf 4a

Der juristisch korrekte Terminus für so eine Regelung lautet: Schwachsinn. Um das zu korrigieren, wurde der Absatz aus dem ersten Zitat hinzugefügt. Für unser letztes Beispiel heißt das R 1 und R 2 werden in IIIb zusammengefasst, was in Summe zwölf Jahre ergibt. Die vier Jahre in R 1 sind jetzt nur noch ein Drittel, das auf die neue Einstufung in IVa angerechnet wird:

Vorrückung 3b auf 4a

Jetzt alles klar? Dann bleibt nur noch eine Frage offen: Der Zusatz wurde am 1.1.2018 wirksam, also fast neun Jahre nach In-Kraft-Treten des Kollektivvertrags. Neun Jahre lang störte die unsinnige Regelung niemanden oder fiel zumindest nicht unangenehm auf. Man will sich gar nicht vorstellen, wie oft jemand an den Universitäten Karriere macht und von einer Verwendungsgruppe in die nächsthöhere umgereiht wird, wenn so ein Fehler nicht eher auffällt.

Und das alles nur, weil man Geld sparen wollte. Hätte man die Vordienstzeiten 1:1 aus der alten Einstufung übernommen, würden Mitarbeiter:innen bei Höherreihung einfach nur eine Zeile weiter springen. Dass das mehr kostet, ist schon klar, aber das ist ja schließlich auch der Sinn einer Beförderung. Die neue Verwendungsgruppe ist ja kein Orden, der einem als Anerkennung verliehen wird, sondern geht meist mit zusätzlicher Arbeit und Verantwortung einher, was deshalb monetär abgegolten wird.